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Abfallwirtschaft

Abfallwirtschaft im Landkreises Osterode am Harz

von Dr. Wolfgang Wegener (FWG), Kreistagsabgeordneter (1996 - 2006)

Einleitung

Gibt es zur Abfallwirtschaft im Landkreis Osterode am Harz überhaupt etwas Interessantes zu erzählen? Der Müll wird alle zwei Wochen auf die Straße gestellt und hat dort zu verschwinden; ist es nicht egal, was danach mit dem Müll geschieht, weg ist weg? Und sind die Abfallgebühren - bezogen auf die Lebenshaltungskosten - zumindest im Landkreis Osterode nicht eine vernachlässigbare Größe?

Erst auf den zweiten Blick wird es interessant - hochinteressant sogar. Und das liegt nicht nur daran, dass enorme wirtschaftliche Interessen involviert sind, denn jeder verursacht Abfall, und der muss verschwinden - Begehrlichkeiten sind da vorprogrammiert. Es liegt auch daran, dass Abfallbeseitigung viel mit Umweltschutz zu tun hat. Wann ist es noch Umweltschutz mit Augenmaß, wann ist es Umweltschutz um jeden Preis? Die Abfallwirtschaft ist nicht nur für Perfektionisten, Öko-Fundis und Kriminelle interessant, sondern für jeden für uns.

Bezogen auf den Landkreis Osterode stellen bzw. stellten (es wird die Entwicklung ab 1996 dargestellt) sich folgende Fragen: Wird die mit 50 Mio. Mark nach hochwertigem Standard in den 90-er Jahren errichtete Kreismülldeponie in Hattorf, die bei Nutzung vorhandener Ausbauoptionen erst in Jahrzehnten vollständig verfüllt wäre, als Folge von Bundes-Regulierung ab dem 1. 6. 2005 für Hausmüll geschlossen werden müssen? Werden die Kreiseinwohner auch nach 2005 ca. 50 Mark jährlich pro Einwohner für grüne Punkte bezahlen müssen, und auch ansonsten mit viel Mühe den Müll trennen, um dann erleben zu müssen, dass der Restmüll auf der Deponie ein weiteres Mal in einer sogenannten mechanisch-biologischen Vorbehandlung auf die allerletzten noch verwertbaren Reste durchsucht wird zu zusätzlichen Kosten, die den derzeitigen Deponierungskosten vergleichbar sind?

Ich gebe auf diesen Seiten zur Abfallwirtschaft Informationen über einige weithin unbekannte, potentiell aber äußerst kostenträchtige Entwicklungen in der Abfallwirtschaft im wesentlichen am Beispiel meiner Beiträge auf Landkreis-Ebene und stellen meine Positionen dar.

Viel Spaß beim Lesen dieses Schwerpunktes!

Abfallwirtschaft im Landkreis Osterode - Die Inhaltsübersicht

Das derzeit größte Risiko, dem sich die Abfallwirtschaft des Landkreises Osterode gegenüber sieht, vielleicht sogar das größte Risiko für den Kreishaushalt insgesamt, wird von außen verursacht. Die Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASi), welche 1993 auf Bundesebene in Kraft trat; sieht die Verbrennung des Hausmülls ab dem Jahre 2005 vor - wesentliche Teile der neuen, ökologisch hochwertige Kreismülldeponie (Laufzeit bei Nutzung der Ausbauoptionen: noch Jahrzehnte, Bausumme: ca. 50 Mio. Mark) wären dann "über". Wer davon profitiert? Beispielsweise jeder, der Müllverbrennungsanlagen herstellt oder betreibt, und diese Anlagen sind nicht gerade billig. So schlägt etwa die Hamburger Anlage Rugenberger Damm mit 500 Mio. Mark zu Buche, und der Focus berichtete 1997, dass zusätzlich 37 derartiger "Öfen" benötigt werden. Wer den Schaden hat? Dazu die CDU/FDP-Bundesregierung 1992: "Dem Bund entstehen durch die Umsetzung der TASi keine unmittelbaren Kosten... Insbesondere bei den Kommunen fallen Kosten - vor allem Investitionskosten für neu zu errichtende Kompostierungsanlagen (ca. 3 Mrd. Mark) und Hausmüllverbrennungsanlagen (ca. 10 Mrd. Mark) sowie Betriebskosten (3-4 Mrd.Mark jährlich) an... Es ist vertretbar, die insgesamt aus dieser Gegenüberstellung zu erwartenden Mehrkosten vollständig über eine Erhöhung der kommunalen Gebühren für die Abfallentsorgung auf die Verbraucher zu überwälzen...". Die neue SPD/Grüne - Bundesregierung sehe dies anscheinend genauso, so die Kreisverwaltung in der Sitzung des Umweltausschusses vom 8. 3. 2000. Den Schaden hat also derjenige, der in der Regel eh immer alles als letzter erfährt und wer die Musik nicht bezahlen muss, die er bestellen darf, der lässt eben die Rolling Stones einfliegen.

Als auf Vorschlag einer rein regional aktiven Wählergemeinschaft im Landkreis Osterode gewählter Kreistagsabgeordneter fühlte ich mich natürlich ganz besonderen eng dem Art. 28 Grundgesetz verbunden, der den Gemeinden das Recht zugesteht, alle Angelegenheiten der Gemeinde im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, die Kreisverwaltung hat darauf sogar qua Amtes zu achten. Der Hauptverwaltungsbeamte des Landkreises Osterode am Harz OKD Friedrich-Karl Böttcher machte in einem Leserbrief vom 14. 4. 1996 in der FAZ bundesweit auf diese Thematik aufmerksam, der wirklich große Gewinn für die Umwelt sei die Errichtung der Kreismüll-Deponie nebst Schließung zahlreicher über den Landkreis verstreuter Kippen gewesen, durch die TASi dagegen werde mit extrem hohen Kostenaufwand ein EU-weit (weltweit sowieso) einmalig hoher Standard nochmals in die Höhe geschraubt, der Gebührenzahler habe neben der Müllverbrennung die Abschreibungen dieses kostbaren Deponieraumes und für mindestens 30 Jahre die Nachsorgekosten für dann eben halbleere Deponien zu finanzieren.

Aufmerksam geworden durch diesen Leserbrief schrieb ich am 7. 6. 1996 einen Brief an den SPIEGEL, der das Problem anschaulich auf den Punkt bringt. Ende September berichtete der Spiegel im Heft 39/1996 unter dem Titel "Sie reißen sich um jede Tonne", ging aber lediglich auf einen Randaspekt ein: Auf hochwertigen Deponien und in den Müllverbrennungsanlagen wird der Müll knapp, insbesondere der Gewerbemüll. Kein Wunder: Die Frankfurter Rundschau zitierte 1997 den Karlsruher Stadtdirektor mit der Bemerkung, man wisse, dass viele Abfälle, die eigentlich sortiert werden müssten, nur durch die Sortierbetriebe geschleust und dann mehr oder weniger komplett deponiert würden - etwa in den riesigen Braunkohlerevieren in Halle. Die Entsorgung koste dort nur 20 Mark pro Tonne gegenüber 460 Mark in badischen Deponien. Doch gebe es dort weder Drainagen, Sickerwasser- oder Gas-Sammelanlagen. Möglich wird dies durch eine unpräzise Definition des Begriffes "Verwertung" im Abfallwirtschafts- und Kreislauf-Gesetz von 1996. Nichts zeigt deutlicher, wie sehr Industrie- Interessen offenbar im Vordergrund stehen Wird durch Befriedigung dieser Interessen der Umwelt genutzt: Gut. Wird damit der Umwelt geschadet: Auch gut. Heutzutage wird Müll nicht weggeworfen, sondern eingeworben, Abfall-Ämter setzten Detektive ein, um den Müll am Verlassen der Landkreise zu hindern, schließlich will jeder seine Deponie bis 2005 verfüllt haben bzw. seinen "Ofen" auslasten: Die mittlere Entfernung für einen Mülltransport sei innerhalb von 10 Jahren von 30 auf 300 km angestiegen, so Prof. Kranert (FH Braunschweig/Wolfenbüttel) am 28. Juni 2000 auf einem abfallwirtschaftlichen Forum der Deutschen Bank in Braunschweig, an dem ich teilnahm.

Im September 1996 wurde ich erstmals in den Kreistag gewählt. In meiner ersten einschlägigen Kreistags-Rede am 18. 6. 1997 zum Abfallwirtschafts-Programm des Landkreises Osterode stellte ich fest, dass "diese Bundesregierung Milliardenwerte auf Kosten der Gebührenzahler vernichtet", indem sie die Nichtverfüllung teuer errichteter Deponien ab 2005 in Kauf nimmt, und appellierte an CDU und SPD im Kreistag, sich mal "nach oben" zu wenden.

Zur konkreten Höhe des den Einwohnern entstehenden Schadens fragten ich auf der Sitzung des Umweltausschusses des Landkreises am 8. 3. 2000 und verwendete die Antwort der Kreisverwaltung in einer Pressemitteilung vom 15. 3. 2000 : Allein im Regierungsbezirk Braunschweig würde Deponiekapazität im Wert von mindestens 800 Mio. Mark ungenutzt bleiben wird, wenn ab 2005 die Verbrennung kommen sollte.

Auf einer Regionalkonferenz in Göttingen mit dem niedersächsischen Umweltminister Jüttner, an der als Kreistagsabgeordneter teilnahm, wurde eine mögliche Alternative zur Verbrennung diskutiert: die mechanisch-biologische Vorbehandlung. Dabei würde das, was die Bürger zu Hause mit beträchtlicher Mühe bereits vorsortiert haben, ein weiteres Mal auf die allerletzten noch verwertbaren Reste durchsucht, zu Kosten, die die derzeitigen Entsorgungskosten mindestens verdoppeln würden. Die Überschrift einer Pressemitteilung vom 17. 4. 2000 lautete folgerichtig: Zwischen Genie und Wahnsinn. (Dass man im übrigen potenziell die ganze Bevölkerung wahnsinnig machen kann, wenn man Industrie-Interessen zu sehr in den Vordergrund stellt, zeigt das Aufflackern von BSE in Schleswig-Holstein). Ich forderte dabei unbefristete Ausnahmegenehmigungen für hochwertige Deponien wie die in Hattorf, bis diese unter Nutzung sämtlicher Ausbauoptionen vollständig mit unvorbehandeltem Abfall verfüllt sind. Danach sollte die Deponie wie vorgesehen abgedeckt und der Hausmüll verbrannt werden. Entsprechende Aufträge müssten dann europaweit ausgeschrieben werden: Ob das günstigste Angebot dann wohl aus Palermo kommt?

Bei dieser Gelegenheit: Ich habe im Zeitraum März bis Juni 2000 zahlreiche Versuche unternommen, um im Vorfeld der anstehenden TASi-Änderung bundesweite Öffentlichkeit über das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" herzustellen und dokumentiere diese Versuche unter dem Punkt Briefe an die Redaktion "Der Spiegel" vom 17. 3. -29. 6. 2000 . Berichtet wurde nichts. Auch wenn dieses Thema dort unerwähnt blieb, lege ich großen Wert auf die Feststellung: Ich habe es wenigstens versucht - der Spiegel nicht : Die Fachbruderschaften und Entsorgungsfirmen blieben unter sich.

In dem Bericht über die Sitzung des Ausschusses für Abfall und Bodenschutz beim Landkreis Osterode vom 6. 6. 2002 berichtete ich über eine gemeinsame Lösung des Problems in Südniedersachsen. Stadt und Landkreis Göttingen sowie die Landkreise Osterode und Northeim wollen verfahrensoffen den gemeinsamen Bau einer MBA oder MBS Anlage ausschreiben. Das Ergebnis eines gemeinsam in Auftrag gegebenen Gutachtens zeigte: Dies ist immer noch billiger als die Verbrennung.

In der Kreistagsrede vom 17. 6. 2002 stellten ich dann die Details dieser Kooperation in Südniedersachsen dar, die meiner Auffassung den angesichts der Vorschriftenlage günstigsten Weg darstellt, gab aber beträchtlichen Ärger am Verhalten des Bundes zu Protokoll, indem ich insbesondere die Vorgeschichte darstellte. Eine gemeinsam betriebene MBA/MBS-Anlage soll in Deiderode bei Göttingen errichtet werden. Fast genau ein Jahr später stimmte ich in einer Kreistagsrede vom 16. 6 2003 der konkreten Ausgestaltung dieser Zusammenarbeit in Form eines steuerbegünstigten Zweckverbandes zu, der mit den Partnern dieser Zusammenarbeit Zweckvereinbarungen abschließen soll. Diese Vereinbarungen teilen jedem der Partner eine Aufgabe zu und stellen sicher, dass sich jeder der vier Partner in dieser Zusammenarbeit auch wiederfindet.

Dass die TASi-Änderung mehr Mülltransporte bedeutet, ist klar. Was bedeutet dies für die Hattorfer und Wulftener, ist die Kreismülldeponie Hattorf wirklich der geeignete Platz für die Umladestation, auf der Osteroder Müll auf Mülltransporter Richtung Göttingen umgeladen wird? Darum ging es in der Sitzung des Abfallausschusses vom 10. 2. 2004. Das Ergebnis: Ein Mehr an Verkehrsbelastung durch die Transporte nach Göttingen wird überkompensiert durch wegfallende Goslarer Mengen, wegfallende Gewerbemüllanlieferungen, rückgehende Müllmengen insgesamt. Bezogen auf den Landkreis Osterode und bezogen auf die Verkehrsbelastung kann man da nur sagen: Glück gehabt.

Weniger Glück dagegen hatte der Abfallzweckverband mit der Firma Farmatic, die das Ausschreibungsergebnis zum Bau der MBA-Anlage gewann: Sie meldete Insolvenz an und die Firma, die deren Vertrag übernahm, kündigte an, dass es nun möglicherweise nicht erreichbar sein werde, die Anlage fristgerecht zum 1. 6. 2005 vollständig in Betrieb zu nehmen. Da danach neues Recht gilt, drohten Südniedersachsen hohe Zusatzkosten für die dann notwendig werdenden Zwischenlösungen, falls das Bundesumweltminsterium (BMU) nicht die TASi-Frist verlängert. Die Überschrift meiner Pressemitteilung vom 16. 6. 2004 lautete folgerichtig: "TASi - Fristverlängerung gefordert". Der angefügte Sachstand vom 8. 11. 2004 zeigt, dass der TASi-Termin wohl unverrückbar ist (der Bundesminister berief sich dabei lächerlicherweise auf höherrangiges EU-Recht), so dass sich unsere Bemühungen (die Mehrheitsfraktion hatte mir für die Wahlperiode 2001-2006 einen ihrer stimmberechtigten Sitze im Ausschuss für Abfall und Bodenrecht überlassen) nun auf eine möglichst zügige und unkomplizierte Genehmigung des Landes Niedersachsen für eine Zwischenlagerung des vorzubehandelnden Abfalls bis zur vollständigen Inbetriebnahme der MBA-Anlage in Göttingen konzentrierten.

Als vorläufigen Schlusspunkt unter diesen Schwerpunkt noch ein Bonbon zum Thema Lobbykratie: Welche Strafe droht eigentlich einem Abgeordneten, der sich bestechen lässt? Antwort: Bis 1994 war dies straffrei, der ab da geltende einschlägige Paragraph des Strafgesetzbuches ist nach vorherrschender Rechtsauffassung derart enggefasst, dass danach eigentlich nie jemand verurteilt werden dürfte. Mein Bericht vom 5. 4. 2007 zur ersten Verurteilung in Deutschland wegen Abgeordnetenbestechlichkeit zeigt: Nichts, wirklich nichts ist unmöglich.

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