Startseite FWG Osterode am Harz

Politik für Stadt und Landkreis - Daten, Fakten, Konzepte.

Sie sind hier: Startseite StadtpolitikTagebuch→ Regenwassergebühr (→ Tagebucheintrag)
Drucken   Leserbrief    
Tagebuch

Trennung der Gebühren für die Beseitigung von Schmutz- und Niederschlagswasser

Dr. Wolfgang Wegener (FWG) im Rat der Stadt Osterode (Redemanuskript)

Anreize zur Entsiegelung sind zu gering

Anrede,

ich möchte zur vorgeschlagenen Einführung einer Regenwassergebühr auf drei Fragen eingehen:

  1. Wollen wir eine Regenwassergebühr?
  2. Sind wir rechtlich verpflichtet, sie einzuführen?
  3. Wie sollte sie ermittelt werden (Art der Datenerhebung, Art des Verfahrens usw.)?

1. Wollen wir eine Regenwassergebühr?

Die Kosten für die Beseitigung von Schmutz- und Regenwasser werden gegenwärtig mit einer einheitlichen Gebühr umgelegt: Pro cbm bezogenen Frischwassers müssen 3,81 Euro Abwassergebühr bezahlt werden. Davon werden die Kläranlage und zwei Kanalnetze für Schmutz- und Regenwasserbeseitigung finanziert.

Während bei der Schmutzwasserbeseitigung der Zusammenhang zwischen Frischwasserverbrauch und Abwasser offenkundig ist, ist dies bei der Regenwasserbeseitigung nicht der Fall. Beispiel Kirche: Große Dachfläche, geringer Frischwasserverbrauch und damit geringe Abwassergebühren.Gegenwärtig werden die Kosten für die Regenwasserwasserbeseitigung nicht vollständig gerecht auf die Einleiter umgelegt. Allerdings hat sich bisher niemand daran gestört, mir ist kein einziger Angriff auf diese Satzung bekannt, und dafür gibt es auch drei gute Gründe.

Der eine oder andere erfährt erst jetzt nach einer Aufsehen erregenden Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung von diesen Zusammenhängen. Zweitens wirken sich diese Ungerechtigkeiten in der Regel finanziell nur minimal aus. Laut Betriebsabrechnung 2000 entfielen von den Gesamtkosten der Abwasserbeseitigung, nämlich 4,7 Mio. Euro lediglich 313 000 Euro bzw. 6,7 % auf die Regenwasserbeseitigung. Da die Stadt davon 50% übernimmt für die Entwässerung öffentlicher Straßen und Plätze, beträgt der Anteil der Grundstückseigentümer lediglich 3,4 %. (Der Anteil der Stadt dürfte zukünftig nach Erstellung eines Flächenkatasters allerdings deutlich zu Lasten der privaten Grundstücke sinken: So ist etwa die voll versiegelte Innenstadt mehrheitlich in privatem Besitz). Bezogen auf ein von vier Personen bewohntes Haus mit 140 Kubikmeter Frischwasserverbrauch jährlich bedeutet dies, dass von den Abwassergebühren von 533 Euro lediglich 18 Euro auf die Regenwasserbeseitigung entfallen. Und drittens ist die überwiegende Zahl der Grundstücke auch an beide Kanalnetze angeschlossen und nutzen sie, es gibt ein überwiegend deckungsgleiches Einzugsgebiet für Schmutz- und Regenwasser, das schließe ich aus der Länge der Kanäle. Die Schmutzwasserkanäle sind insgesamt 150 km lang, die Regenwasserkanäle sind 114 km lang, und der Weg zur Kläranlage ist im Mittel weiter als der Weg zum nächsten Vorfluter. Die geringen Kosten der Regenwasserbeseitigung pro Grundstück erklären sich also nicht etwa dadurch, dass viele für einige wenige zahlen - das wäre natürlich grob ungerecht, sondern dadurch, dass finanziell das Kanalnetz im Vergleich zur Kläranlage eine untergeordnete Rolle spielt.

Dass es - je nach Grundstück - unterschiedlich große versiegelte Flächen gibt, ist allerdings klar, und man kann überlegen, wie man zu einer gerechteren Gebührenerhebung kommen könnte, dabei vielleicht sogar Anreize setzt, Flächen zu entsiegeln. Das ist ja wünschenswert. Die Frage ist, mit welchem Aufwand und ob überhaupt sich diese Ziele erreichen lassen.

Der Aufwand zur verursachergerechten Ermittlung einer Regenwassergebühr ist erheblich: Flächendeckend müssen die versiegelten Flächen sämtlicher ca. 6500 Grundstücke in der Stadt erfasst und laufend aktualisiert werden - ich gehe von einer zusätzlichen Stelle in der Verwaltung (43 000 Euro jährlich) aus. Erfahrungen aus der SG Bad Grund (Grundgebühr von 13,45 Euro pro angefangene 50 qm plus 15 Cent pro qm versiegelte Fläche) zeigen, dass die Anreize zur Entsiegelung zu gering sind. Kein Wunder bei Entsiegelungskosten von vielleicht 8 Euro pro qm Asphalt oder den Kosten für Zisternen. Anzumerken ist, dass der Entsiegelung bisweilen technische Grenzen gesetzt sind: Die Stadt wird sicherlich nicht den Innenstadtring entsiegeln, um mit gutem Beispiel voranzugehen, bei vielen Gewerben gibt es ähnliche Grenzen.

Ich erkenne ein krasses Missverhältnis zwischen dem, was vorne an Bürokratie rein gesteckt wird und dem, was hinten an Gewinn für Umwelt und Gerechtigkeit rauskommt, und deswegen komme ich zu einem klaren und eindeutigen Ergebnis: Ich will keine Regenwassergebühr, ich scheue den bürokratischen Aufwand, und ich will wieder Ruhe in der Stadt. Es soll so bleiben, wie es ist.

2. Sind wir rechtlich gezwungen, Regenwassergebühren einzuführen?

Gesetze und Verordnungen, Urteile, Anweisungen der Aufsichtsbehörde usw. sind allerdings stärker als der politische Wille, jedenfalls auf Ebene der Kommunen. Ich habe daher die Verwaltung gefragt: Wo und wie steht geschrieben, dass wir Regenwassergebühren einführen müssen? Ich habe dazu Unterlagen erhalten und geprüft. Im Ergebnis stelle ich fest: Ich habe - bezogen auf Osteroder Verhältnisse - nichts gefunden, gar nichts. Keinem Gesetz, keiner Verordnung, keinem Urteil lässt sich entnehmen, dass wir Regenwassergebühren einführen müssen.

Nach in Jahrzehnten verfestigter Rechtsprechung darf der Frischwassermaßstab für die gesamten Abwassergebühren verwendet werden, wenn die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung geringfügig, d. h. unterhalb von 12% der Gesamtkosten sind. Dies ist in Osterode sicher der Fall, in der SG Bad Grund (15%) dagegen nicht. Die Verwaltung argumentiert mit der Änderung des Wassergesetzes (§149 Abs.3 NWG) vor drei Jahren. Zitat: "Zur Beseitigung des Niederschlagswassers sind an Stelle der Gemeinden verpflichtet die Grundstückseigentümer, soweit nicht die Gemeinde den Anschluss an eine öffentliche Abwasseranlage und deren Benutzung vorschreibt" Vorrang soll also die Versickerung vor Ort haben, von einer Regenwassergebühr steht dort aber nichts. Wenn der Gesetzgeber eine Regenwassergebühr wünschte, hätte er sie vorschreiben können, allerdings wohl nicht im Wassergesetz - unserer Auffassung nach ist der Zusammenhang zwischen Wassergesetz und Regenwassergebühren an den Haaren herbeigezogen. Der Vorrang der Versickerung lässt sich durch Regenwassergebühren nicht durchsetzen, dazu sind die Anreize zu gering. Lediglich ein Kommentar - der für die Verwaltung wohl maßgeblich ist - vertritt die Auffassung, man brauche Regenwassergebühren: Wenn ich es richtig verstanden habe, weil der Vorrang der Versickerung zu deckungsungleichen Einzugsbereichen von Schmutz- und Regenwasser und damit zu größeren Ungerechtigkeiten führen werde. Mag sein, dass es so kommt - ich bezweifele dies - gegenwärtig ist dies jedenfalls unserer Auffassung nach nicht der Fall. Ich rege vielmehr ein Landesgesetz an, welches die 12% Grenze verbindlich festlegt - eine Spielwiese für Verwaltungsgerichte weniger. Es geht heute auch gar nicht darum, wer Recht hat, es geht um Rechtssicherheit, und die wird bekanntlich nicht durch Kommentare, sondern durch überprüfbare Urteile geschaffen. Im Kern geht es bei der heutigen Ratsentscheidung um eine politisch zu entscheidende Risikoabschätzung.

Ich will keine Regenwassergebühr, und ich sehe die Stadt auf der sicheren Seite, wenn sie abgelehnt wird. Genau dies werde ich tun. Die Verwaltung hat bereits Bögen verschickt, diese müssten zurückgenommen werden. Einige kurze Sätze reichen "Wir entschuldigen uns, uns ist da eine Fehleinschätzung unterlaufen, wir werden zukünftig Ratsbeschlüsse abwarten. Den Selbsterhebungsbogen können Sie entsorgen." Dieser Brief wäre den Gebührenpflichtigen sicher das Porto wert, nehme ich an.

3. Wie sollte die Regenwassergebühr ermittelt werden?

Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zum Verfahren und zum Fragebogen. Zwar heißt es in einem Rechts-Kommentar, ein derartiger Fragebogen "sollte" erst nach einem entsprechenden Ratsbeschluss versandt werden. Umgangssprachlich bedeutet dies: Ein Ratsbeschluss "muss" abgewartet werden, außer es gibt gravierende Gegenargumente. 56 Cent Porto pro Grundstückseigentümer sind für mich kein gravierendes Argument.. Immerhin wurden die Betroffenen mit einem völlig überfrachteten Fragebogen konfrontiert, und dass sich Ratsmitglieder, die in Vorbereitung der Bauausschusssitzung bereits mit dem Entfrachten des Fragebogens begonnen hatten, mächtig ärgerten, als er vorab einfach verschickt wurde, ist sicherlich nachvollziehbar.

Tagelang standen die Telefone in der Verwaltung nicht still - der Fragebedarf war enorm. Diesem Fragebogen sieht man sehr deutlich an, dass sich die Ratsgremien damit nicht mehr beschäftigen konnten. Selbst wenn die Mehrheit im Rat die Risiken anders wertet als die ich: Dieser Bogen sollte wieder vom Tisch, bisher wurde er von lediglich 5 % der Grundstückeigentümer ausgefüllt Angegeben werden sollten ausschließlich die versiegelten Flächen, die in das öffentliche Kanalnetz entwässern oder -Stichwort Grundgebühr - dies theoretisch tun könnten. Eine Genauigkeit von 10 qm ist völlig ausreichend. Nicht abgefragt werden brauchen Daten, die der Stadt bekannt sind. (z. B. die Grundstücksgröße) oder gänzlich entbehrlich sind (Ziffer 1: Nichtbefestigte Fläche). Ziffer 5 findet sich zwar bei den Erläuterungen, nicht aber im Bogen, da geht es nach Ziffer 4 gleich mit Ziffer 6 weiter, das lässt nicht gerade auf Sorgfalt schließen. Die Texte zu Ziffer 4 im Bogen und bei der Erläuterung   korrespondieren nicht. Nicht gerade Vertrauen schaffen zwei "graue Felder", in die von der Verwaltung zwei qm-Angaben eingefüllt werden, eine offenbar vorhandene Berechnungsformel ist nämlich nicht erkennbar.

Die Verwaltung sei stolz, wurde im Bauausschuss mitgeteilt, wie könne man größere Bürgernähe beweisen als mit dem versandten Anschreiben: Na, ja. Eine letzte Anmerkung: Es gibt aufgrund des Anschlusszwanges Eigentümer, die an den Regenwasserkanal anschließen mussten, obwohl sie versickern lassen wollten. Die verfolgen sicherlich angesichts der Anschlussbeiträge und der Investitionen auf eigenem Grundstück diese Diskussion mit ganz besonderem Vergnügen

Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für Hinweise sind wir dankbar. Die Druckversion dieses Artikels enthält weitere Kontaktmöglichkeiten.

Anmerkung: Da Sie Javascript deaktiviert haben, nutzen Sie zum Drucken bitte die Druckfunktion Ihres Browsers

FWG Osterode
URL: http://www.fwg-osterode.de/haushalt2002-regenwasser280202.htm
Kontakt: Dr. Wolfgang Wegener, Falkenweg 6, 37520 Osterode,
Tel. 05522-72609, Fax 05522-506378. Mail: wegener@fwg-osterode.de