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Von Michael Dietrich
Doch der Gepriesene merkte auch, wie leicht es war, Geldzahlungen auszulösen. Um Gemeinde A dazu zu bewegen, Geld an die Gemeinde B zu zahlen, reichte ein Anruf und ein Fax von Koch! Oftmals kam es zwischen den Gemeinden A und B nicht einmal zu einem Kontrollkontakt. Viele Kommunen gaben sich damit zufrieden, dass das Geld plus Zins wieder da war. Andere Kassenleiter wussten sogar, dass das Geld von einem Dritten kam und nahmen das aber billigend in Kauf: Es machen alle so. Und was alle so machen, kann ja nicht falsch sein.
Wie es Koch dann genau geschafft hat, dass irgendwann Geld auf sein eigenes Konto gelangte, ist noch nicht genau geklärt. Die Staatsanwaltschaft München hält sich bis heute mit ihren Ermittlungsergebnissen bedeckt. Bisher nimmt man an, dass Koch dafür Helfer in einigen Kommunen hatte, die er dafür bestach. Jedenfalls müssen über 50 Millionen Mark aus öffentlichen Kassen an ihn geflossen sein. Die entstandenen Lücken in den kommunalen Haushalten deckte Koch mit immer neuen Krediten aus anderen Kommunen, die wurden mit neuen Krediten beglichen usw usw. Das klassische Schneeballsystem als Mittel der Vertuschung. Und das flog auf, als sich Koch die Steuerfahnder auf dem Hals nach Namibia absetzte und seine Finanzvermittlung keine neuen Kredite mehr in das System hereinholte, um die offenen Forderungen der anderen zu begleichen.
Die Stadt Pirna zahlt später für die Vermittlung dieses Kredites durch die Finanzvermittlung an Koch die Provision. Am Fälligkeitstag erhält die Stadt Schwedt von der Stadtsparkasse Schwedt die Nachricht, dass ein Betrag über 1 029 000 Mark auf das Konto überwiesen wurde. Der Betrag entsprach nicht der Kreditsumme plus Zinsen. Die Schwedter Stadtkasse fragte daraufhin bei der Finanzvermittlung Koch nach. Wenig später wird der fehlende Betrag von 572,07 Mark ebenfalls an Schwedt überwiesen. Die Stadtkasse rechnet die beiden Beträge zusammen und da sie genau die vereinbarte Summe ergeben, sieht sie das Kreditgeschäft als erledigt an. Schwedt hat mit der einen Million Mark, die sie einen Monat lang nicht brauchte, in diesem Zeitraum 5 532,85 Mark Gewinn erzielt.
Christa Müller, bis 1994 Finanzdezernentin und bis 1997 Amtsleiterin für Finanzwirtschaft, oder ihre Stellvertreterin Erika Schreiber, Abteilungsleiterin der Kämmerei, haben monatlich festgelegt, welcher Kassenbetrag wie lange zur Verfügung steht und mit Frau Griep gelegentlich beraten, welche Angebote angenommen werden.
Barbara Rückert, seit 1994 Finanzdezernentin und auch Bürgermeister Peter Schauer geben an, bis zum Jahr 2000 von Koch und seiner Finanzvermittlung nie etwas gehört zu haben.
Hans-Jürgen Koch, Finanzberater in Bad Heilbrunn, hat bundesweit für über 350 Kommunen solche Termingeldgeschäfte vermittelt. Er steht in dem dringenden Verdacht, aus diesen Geschäften über 50 Millionen Mark öffentlicher Gelder privat abgezweigt zu haben. Er soll sich nach Namibia auf seine Luxusfarm abgesetzt und das Geld seiner Partnerin überschrieben haben.
Im Fall Schwedt trat Koch nicht direkt auf, die Stadt verhandelte am Telefon und per Fax mit einem Mitarbeiter Kochs, die Faxe waren an Frau Griep adressiert. Der Kontakt mit Koch kam nach Darstellung der Stadt zustande, weil Koch seine Finanzdienstleistung wie viele andere der Stadt angebot. Frau Griep behauptete jedoch, das Prinzip, freie Geldmittel ertragsbringend über Vermittler bei anderen Kommunen anzulegen, von einer Konsultation in der Partnerschaft Leverkusen mitgebracht zu haben. Hier sei auch der Kontakt zur Finanzvermittlung entstanden.
Übrigens gibt es auch Beteiligte wie den Landkreis Uckermark, die noch bis Februar 2000 über Koch vermittelte Kredite ausreichten und annahmen. Hier jedoch konnte Kämmerer Mike Förster nachweisen, dass es immer Eins-zu-Eins-Geschäfte waren. Offenbar wurde hier darauf geachtet, dass das Geld dahin zurückgeht, wo es herkam. Solche Kommunen sind weder Opfer noch Täter, sondern reine Nutznießer .
Zunächst bei den vertraglichen Regelungen. Die Angaben von Koch hätten schnell überprüft werden können, wenn sich die Städte zur
Kontrolle angerufen und die Kreditvereinbarungen untereinander verglichen hätten. Dann hätte der eine nicht gedacht, einen Kredit
auszureichen, was der andere für eine Rückzahlung hielt. Aber auch bei der Buchungskontrolle herrschte offenbar blindes Vertrauen in die
Zahlen. In Schwedt soll nicht einmal bekannt gewesen sein, dass das Geld nicht vertragsgerecht von Pirna, sondern vom Ortenaukreis
zurückkam. Die Überweisungsbelege, auf denen die Absender Ortenaukreis und Kochs Finanzvermittlung klar vermerkt sind, waren im
Rathaus nicht vorhanden. Dabei hätten sie von der Stadtsparkasse zur Kontrolle abverlangt werden müssen.
Auch die Kreditsummen sind auffällig. Während beim Landkreis Uckermark, der nur die als sicher geltenden Zweiergeschäfte einging,
ausschließlich runde Kreditsummen wie 3, 1,5 oder 5 Millionen Mark auftauchen, hat Schwedt Kredite vergeben von
1 024 039 Millionen Mark und
22 Pfennigen. Diese ungeraden Beträge als Kredite sind nicht üblich. Sie sehen eigentlich wie ein früherer Kredit von einer Million Mark plus
den Zinsen dafür aus. Zumindest hätte man stutzig werden können.
Der deutlichste Hinweis darauf, dass hier etwas nicht stimmen kann, ist jedoch der Fakt, dass die mit Koch vereinbarte Summe in dem einen
Fall nicht komplett kam, sondern in zwei Teilbeträgen. Warum?
Nach der ausgiebigen Prüfung der Termingeldgeschäfte von damals sagt Finanzdezernentin Barbara Rückert heute, die Stadt war damals eindeutig nicht wachsam genug.
Der Richter gab dieser Klage in erster Instanz Recht. Die um eine Million Mark erleichterte Stadt Schwedt könnte nun wiederum Pirna auf ungerechtfertigte Bereicherung verklagen und Pirna dann wieder den nächsten, der pikanterweise der Ortenaukreis selbst ist. Also noch einfacher: Pirna tritt seine rechtlichen Ansprüche gegenüber dem Ortenaukreis an Schwedt ab und Schwedt kann direkt den Ortenaukreis verklagen und mit derselben rechtlichen Begründung die Million zurückfordern, mit der der Ortenaukreis seine Million aus Schwedt bekam. Nur weil das rechtlich machbar ist, ist es nicht weniger blödsinnig.
Einige Kritiker dieser prozessualen Rückabwicklung der Koch-Geschäfte sehen deshalb den Fall Ortenaukreis gegen Schwedt als einen "Glücksfall" an. Gerade an dieser Klage und diesem Nullsummenspiel der Forderungen von drei Opfer-Kommunen werde offenbar, wie sinnlos solche Verfahren wären. Andere Kritiker meinen, dass der Prozess nur ein Scheinprozess ist und vom Ortenaukreis für seine anderen Streitfälle benutzt werden soll. Da geht es um viel mehr Geld. Der kleine Fall von Schwedt als Musterprozess, weil der Streitwert mit nur einer Million Mark relativ klein und damit auch die Prozesskosten relativ gering sind?
Zumindest will Schwedt unbedingt die Chance der Berufung nutzen. Dahinter steht die Hoffnung, dass eine höhere Gerichtsinstanz die Klage abweist und Schwedt damit ganz aus der Finanzaffäre raus wäre. Ausgang offen.
Doch dieses System wird nicht auf freiwilliger Basis funktionieren, schließlich pokert jeder, um mit einem blauen Auge davonzukommen. Jene Kommunen, die bisher ausgeglichene Salden haben oder eben eine direkte Koch-Zahlung als Leiche im Keller, müssen zu dieser Rückabwicklung gezwungen werden. Denn anders, als beim gegenseitigen finanziellen Vorteil aus Kassenkrediten ist vom Solidaritätsgedanken der Kommunen nicht mehr viel zu spüren, wenn es um finanziellen Schaden und die politische Verantwortung dafür geht. Ob nun eine Clearing-Stelle mit staatlichen Befugnissen ausgestattet, eine bestehende Behörde wie der Bundesrechnungshof beauftragt wird oder die Innenministerkonferenz sich auf einheitliche Regelungen in den Ländern einigt, ist nur eine Frage des besten Weges. Die Direktzahler an Koch müssen ohnehin von der Staatsanwaltschaft gerichtlich verfolgt werden.
So wichtig es im konkreten Fall sein wird, in Schwedt die Frage der Verantwortung zu klären, damit die Schwedter in die Behandlung öffentlicher Gelder im Rathaus wieder Vertrauen gewinnen. Eine kriminelle Beteiligung am System Koch oder eine direkte Schädigung der Stadt ist in Schwedt bisher zum Glück nicht zu vermuten. Fast möchte man es ebenfalls als Glück bezeichnen, dass Schwedt ab 1996 ein dickes Minus im Haushalt hatte. Denn damit konnte die Stadt gar keine Geldanlagen mehr tätigen, auch nicht über Koch. Nicht auszudenken, wenn Schwedt die Dreiecksgeschäfte bis ins Jahr 2000 unwissend weiter getätigt hätte und dann vor einem ähnlichen Scherbenhaufen stünde wie jetzt der Ortenaukreis.
Wie stellen Sie sich die Rückabwicklung der Geschäfte vor?
Meine Anregung wäre, dass sich die Innenminister endlich der Sache annehmen und auf der Innenministerkonferenz Festlegungen
für eine Clearing-Stelle treffen. Die beteiligten Kommunen sind doch wie gelähmt, wir können nicht mehr arbeiten, wenn wir nur vor Gericht
sitzen. Gerichte klären die Probleme der betroffenen Kommunen nicht.
Sie sagten, Sie wissen nicht, was Sie in Schwedt ändern sollten
Weil in den Dienstanweisungen eigentlich alles klar geregelt ist. Wir haben die Vorgänge geprüft und sehen die
Verantwortlichkeit bei der Kassenleiterin. Durch sie wurde die Stadt Schwedt angreifbar.
Natürlich ging ein Ruck durchs Rathaus. So etwas wie 1996 kann zwar heute ohnehin nicht mehr passieren aber es würde auch nicht
wieder passieren!
Quelle: Märkische Oderzeitung vom 24. 3. 2001
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