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Leitbild

Leitbild des Landkreises Osterode am Harz für die Verwaltung

Dr. Wolfgang Wegener (FWG) im Kreistag (Redemanuskript)

Vehemente Ablehnung

Anrede,

der Kreistag soll heute auf Vorschlag der Verwaltung das überarbeitete Leitbild für die Kreisverwaltung "zustimmend" zur Kenntnis nehmen.

Leitbild ja oder nein? Der Haupt-Gegeneinwand lautet, mittel- oder langfristige Ziele ließen sich leicht definieren, entscheidend aber sei das Aufzeigen des konkreten Weges; der fehle aber in Leitbildern und mache sie entbehrlich. Dass ich diese Auffassung nicht teile, zeigt z. B. mein Beitrag in der KT-Sitzung am 21. 12. 1998 - da war hier von Leitbildern noch nicht die Rede - in dem ich vier Ziele für den Landkreis definiert habe, nämlich Aufgaben dorthin zu delegieren, wo das größte Eigeninteresse an ihrer Wahrnehmung besteht (Beispiele: Privatisierung der KKH, Abschaffung der Kreisschulbaukasse, Jugendherberge zur Stadt Osterode usw.), die Qualitätsanforderungen durch Einsatz entsprechender Aufsichtsfunktionen mit Vorbildcharakter für die Gemeinden zu erhöhen ("Wir müssen makellos dastehen"), den Schuldenabbau konsequent fortzusetzen und neue Aufgaben nur dann zu übernehmen, wenn vorher nachprüfbare Erfolgskriterien definiert wurden - konsequenterweise war ich daher gegen den Beitritt zum Regionalverband. Südniedersachsen e. V.. Auch war das 1997 hier mit den Stimmen der FWG und der SPD beschlossene Haushaltskonsolidierungs-Konzept in der Beschreibung des Weges wenig konkret, es hat aber in der Ausführung höchst erfolgreich für die notwendige Ausgabendisziplin gesorgt.

Leitbilder für den Kreistag allerdings kann und darf es nicht geben, Zielvorstellungen für die politische Arbeit müssen im politischen Wettbewerb formuliert werden, sonst hebeln wir die Demokratie aus. Ich begrüße es daher, dass der ursprüngliche Vorschlag des Landrates, ein Leitbild für den Landkreis - also für Verwaltung und Kreistag - zu beschließen, vom Tisch ist. Konsequent wäre es dann aber gewesen, dass der Landrat dieses Leitbild intern in Kraft gesetzt hätte, anstatt heute die Zustimmung des Kreistages zu suchen.

Sie wollen ein Leitbild, Herr Landrat. Das ist gut. Sie wollen dieses Leitbild, Herr Landrat: Das ist nicht gut.

Ich störe mich insbesondere an der Formulierung; "Leistung, das heißt, sich bei der Steigerung der Effizienz an den gleichen Maßstäben messen, wie sie zeitgleich in der Wirtschaft umgesetzt werden".

Wirtschaft und öffentliche Verwaltungen sind grundsätzlich nicht miteinander vergleichbar. Dieser Vergleich mit der Wirtschaft ist nicht nur untauglich, er ist m. E. sogar gefährlich, weil der den Blick auf die eigentliche Aufgabe verstellt: Was soll der öffentliche Sektor überhaupt leisten (Aufgabenkritik), welche Kennziffern dienen der Beschreibung des Erfolges? Im übrigen finde ich diesen Vergleich mit der Wirtschaft auch traurig und demotivierend für das Leitbild einer öffentlichen Gebietskörperschaft. Würde es wohl einem Wirtschaftsunternehmen einfallen, in seinem Leitbild zu formulieren: Wir wollen so gut werden wie der Staat? Wir sind wir, so könnte es in unserem Leitbild heißen, wir sind stolz darauf, beim Landkreis zu arbeiten, wir machen makellose und gerechte Arbeit für die Kreis-Einwohner, und wir bemühen uns stetig, unsere Leistung noch weiter zu verbessern: So motiviert man Mitarbeiter, nicht dadurch, dass man ihnen sagt: Versucht erst mal, die Wirtschaft einzuholen.

Diese Formulierung ist nicht nur kontraproduktiv, sie ist auch pauschalierend. Sollen wir uns bei der Steigerung der Effizienz an den gleichen Maßstäben orientieren, wie sie bei Holzmann, Bremer Vulkan, Neue Heimat usw. umgesetzt wurden? Der Staat brauchte diese Unternehmen nicht, diese Unternehmen brauchten den Staat.

Nur wer in einem Leitbild Begriffe in ihrer präzisen Bedeutung verwendet, kann hoffen, das ein Leitbild Auswirkungen zeitigt, lassen Sie mich daher drei Begriffe mittels eines Standard-Lexikons definieren. Unter Wirtschaftlichkeit versteht man wirtschaftspolitische Entscheidungen, nach denen ein bestehendes Ziel mit möglichst geringen Aufwand bzw. mit gegebenem Aufwand ein möglichst großer Erfolg erzielt wird. Wirtschaftlichkeit und Effizienz sind also untrennbar mit der Definition eines Zieles verbunden, welches mit sparsamem Ressourceneinsatz erreicht werden soll. Wirtschaft und öffentlicher Sektor haben aber völlig unterschiedliche Ziele! Die Wirtschaft ist Gesamtheit aller Einrichtungen und Maßnahmen menschlicher Daseinsgestaltung, die sich auf die Produktion und den Konsum knapper Güter beziehen, unter Staat versteht man die Institution zur Ordnung menschlichen Zusammenlebens, gekennzeichnet durch Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Die hoheitlichen Aufgaben, die Ordnung des Zusammenlebens, ein gewisser Ausgleich zwischen Starken und Schwachen, das kennzeichnet den Staat; Gewinnmaximierung, das kennzeichnet die Wirtschaft

Dass der Landkreis seine Ziele wirtschaftlich erreichen soll, ist im übrigen nicht neu, sondern bereits vielfach normiert (§10 Abs. 2 GemHV normiert die Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bei langfristigen Investitionen, §121 Abs. 2 NGO (der vom § 65 NLO erfasst ist), normiert die überörtliche Wirtschaftlichkeits- und Organisationsüberprüfung usw.).

Wir diskutieren über die monierte Formulierung seit dem Frühjahr, die Verwaltung schlägt sie gleichwohl unverändert vor. Lassen Sie mich mittels einiger Überspitzungen meine Position nochmals ganz klar machen. Wir sollen uns also bei der Effizienz an den gleichen Maßstäben messen, wie sie zeitgleich in der Wirtschaft angewendet werden, dort ist bekanntlich der Gewinn das Ziel. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet diese Formulierung, dass wir unsere Monopolstellung in der Abfallentsorgung ausnutzen müssten, um die Gebühren zu erhöhen - das ist effizientes Handeln in der Wirtschaft nach Ausschalten der Konkurrenz - dass wir die zeitaufwendigen Baugenehmigungen meistbietend versteigern - wer will als erster bauen dürfen? - und dass wir einen Bezieher von Sozialhilfe, der fragt und fragt, ohne Einnahmen zu generieren, mit dem Hinweis auf einige Fundstellen nach Hause schicken - jede Minute Arbeitszeit kostet schließlich 1 Mark, versuchen Sie doch selbst, sich über ihre rechtlichen Möglichkeiten klar zu werden, wir wünschen Ihnen wenig Glück dabei, dann kommen Sie uns billiger. Das bedeutet diese Formulierung, wenn man die Begriffe in ihrem Wortsinn verwendet. Ist es das, was Sie, Herr Landrat, Herr Kämmerer und was die SPD-Kreistags-Fraktion tatsächlich wollen?

Ich lehne diese Formulierung für die Freien Wähler vehement ab, wenn der öffentliche Sektor nicht auch für die Schwachen da ist, wer denn sonst? Vom schieren Volumen ist doch der Sozialhaushalt der Hauptansatzpunkt für Effizienzsteigerungen, wie sie zeitgleich in der Wirtschaft umgesetzt werden, oder?

Da ich ein Leitbild für eine gute Sache halte, werde ich es nicht alternativlos ablehnen und beantrage daher folgende Alternativ-Formulierung:

Leistung, das heißt, durch stetiges kritisches Hinterfragen vorhandener Arbeitsabläufe zu versuchen, die Qualität der Aufgabenerfüllung des Landkreises für die Einwohner zu steigern bei immer sparsameren Einsatz finanziellerer Mittel.

Ich rege ferner an, auf Ämterebene in Qualitätszirkeln innerhalb des nächsten Jahres zu prüfen, ob es sinnvoll ist, nach einem Jahr folgende zwei Sätze im Leitbild zu fixieren und darüber sowie über Auswirkungen des Leitbildes insgesamt dem Kreistag zu berichten:

  1. Wo immer möglich und sinnvoll, werden auf Ämterebene qualitätsbeschreibende Kennziffern entwickelt, die mindestens einmal jährlich mit denen des Vorjahres und - wo möglich und sinnvoll - mit denen vergleichbarerer Kommunen verglichen werden.
  2. Jeder Mitarbeiter wird alle x Jahre (x=1,2,3,...)beurteilt anhand eines formalisierten Beurteilungsbogens, der die Leistung des Mitarbeiters beurteilt im Vergleich zu der mit diesem Mitarbeiter abgeschlossenen Zielvereinbarung (Arbeitsplatzbeschreibung u.ä.) und ihm seine Perspektiven in der Kreisverwaltung aufzeigt. Dem Mitarbeiter ist Gelegenheit zu geben, dazu in einem formalisierten Verfahren Stellung zu nehmen und konstruktive Kritik vortragen zu können.

Wird meinem Änderungsantrag nicht gefolgt, werde ich dieses Leitbild ablehnen. Schade, denn ein Leitbild an sich halte ich - wie ausgeführt - für eine gute Sache.

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