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Erstaufnahmelager Osterode

Erstaufnahme von Asylbewerbern in der eh. Rommelkaserne Osterode

Eine Zwischenbilanz mit Anmerkungen zur Asyldebatte

Von Dr. Wolfgang Wegener

Bundeswehrstandort Osterode - Die Vorgeschichte

Die Bundeswehrkaserne an der Bergstraße in Osterode wurde in den Jahren 1960/61 errichtet und am 28. 6. 1961 in Nutzung genommen. Sie beherbergte das Panzergrenadierbataillon 12. Nach Ende des kalten Krieges 1989 wurde die befürchtete Panzerschlacht in der norddeutschen Tiefebene unwahrscheinlich; die Kaserne wurde am 31. 12. 2003 aus der Nutzung genommen und stand daraufhin leer. Pläne für eine öffentliche Nachnutzung (u. a. gab es den Plan, dort eine Skihalle zu bauen) blieben Blütenträume. Stadt und Landkreis unterließen es, dem Bund den Abtrag der Gebäude aufzugeben (die Sondernutzung war ja erloschen, ein Konversionsgesetz hat es nie gegeben). So wählte der Bund das für ihn kostengünstigste Verfahren, den Verkauf an irgendeinen Investor: Hauptsache, die Haftung war weg. Während dieses Vorgehen beim Stöberhai-Turm vom Landkreis verhindert wurde (der Turm wurde abgerissen; s. dazu unseren Bericht), wurde mangels neuer Ideen insbesondere bei der Stadt Osterode zugewartet, bis der Bund schließlich an die Phalanx Investment GmbH (vormals Phalanx Grundbesitz Gmbh) verkaufte. Nach siebenjährigem Leerstand wurde dann im April 2010 über erste Pläne des neuen Eigentümers berichtet (u. a. sollte dort ein Hotel errichtet werden). Diese Gesellschaft mit einem Stammkapital von 25 000 Euro wurde nach ihrer Insolvenz auf Beschluss des Amtsgericht Osterode vom 27. 3. 2015 aufgelöst. Nach der Versteigerung der Immobilie wurde die Kaserne Anfang 2014 von der Princess of Finkenwerder GmbH Co. KG eines Wolfgang Koch aus Stade übernommen (gezeichnetes Kapital lt. Bilanz 2013: 40 000 Euro).

Nach einem massiven Zustrom von Asylbewerbern suchte das Land später nach geeigneten Liegenschaften zur Erstaufnahme. Der Blick fiel auf Osterode. Allerdings will das Land die Einrichtung nicht selbst betreiben, der ursprüngliche Plan, das den derzeitigen Eigentümer machen zu lassen, wurde nach öffentlicher Diskussion fallengelassen: Koch trat bei der öffentlichen Ankündigung seiner Pläne im November 2014 in der Presse mit einem Jan Karras aus Hamburg auf; es wurde in der Folge insbesondere vom Kreistagsabgeordneten der Linken vermutet, dass dieser eine Söldnerfirma betreibt, die sozusagen gleich für Nachschub bei der Asylbewerbern sorgen könne (die entsprechende Website greenzone-consulting.de wurde mittlerweile aus dem Internet genommen, ist aber noch im Internetmuseum archive.org erreichbar). Im Mai 2015 wurde das Interesse an der Nachnutzung der Kaserne dadurch befeuert, dass das Land offenbar den Landkreis drängte, es bei den baurechtlichen Auflagen (insbesondere beim Brandschutz) nicht so genau zu nehmen (Bericht des NDR; "Bauaufsicht soll Recht beugen" titelte die Lokalzeitung). Und zu einem bundesweiten Thema wurde es endgültig, als sich der Schauspieler Til Schweiger zu Wort meldete mit dem Wunsch, aus der Kaserne ein "Vorzeigeasylheim" machen zu wollen. Im Zuge der entsprechenden Recherchen stellte sich dann heraus, das besagter Jan Karras (von dem allerdings nach seinem Auftritt im November 2014 nichts mehr zu hören war) offenbar für den Personenschutz Schweigers zuständig war und der Hamburger Türsteherszene entstammt, so jedenfalls der STERN.

Leserbrief zur finanzielle Situation der "Princess of Finkenwerder

Ich selbst hatte interessehalber vorher auch schon recherchiert. Anlass war die offenkundige Untätigkeit der Princess of Bodenwerder nach Bekanntwerden der geforderten Auflagen - in der Kaserne war jedenfalls (bis heute) von irgendwelchen Baumaßnahmen nichts zu sehen und nichts zu hören. Ein entsprechender Leserbrief wurde dazu wurde am 22. August 2015 veröffentlicht:

Ein Zeichen unglaublicher Inkompetenz

Dass die Princess of Finkenwerder Gmbh & Co. KG kein Geld hat, war doch von Anfang an klar (z. B. Bilanz im Bundesanzeiger). Und hätte das Land eine Bonitätsauskunft eingeholt, wäre alles klar gewesen. Stattdessen setzt sich das MI monatelang mit diesen Leuten an einen Tisch. Bei einer Kreditausfallwahrscheinlichkeit der Princess von 96 Prozent hätte jede Sparkasse oder Genossenschaftsbank den Geschäftsführer achtkantig rausgeworfen. Das ist für mich ein Zeichen unglaublicher Inkompetenz.

Das MI und seine Beamtenschaft kommt mir immer mehr durchpolitisiert und durchideologisiert vor. Ohne Til Schweiger hätte es nie diese Presseöffentlichkeit nebst Recherchen gegeben. Dafür sollte man ihm dankbar sein.

Wolfgang Wegener, Osterode

Nach Erscheinen dieses Leserbriefs am 22. August habe ich übrigens in diversen Gesprächen von hier vor Ort auch vorhandenen Befürchtungen erfahren und davon, dass man sich selbst im Bekanntenkreis kaum noch traue, darüber zu sprechen, weil man da ja gleich in die Nazi-Ecke gestellt werde. Kein Wunder, wenn hohe Funktionsträger Begriffe wie "Pack" verwenden, pauschal ganze Landstriche als "Dunkeldeutschland" diffamieren etc.. Verständlich jedenfalls, dass es nun Diskussionen in der Stadt und insbesondere im Stadtteil Dreilinden gibt: Was kommt da auf uns zu? Bleibt es bei 600 Asylbewerbern oder wird es wie anderso zu chaotischen Verhältnissen kommen usw.? Und sind z. B. Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien nicht bereits im Natostaat Türkei vor Krieg sicher, bevor sie dann zur Insel Kos (Griechenland) übersetzen? Vieles ist da noch unklar, eines steht aber wohl schon fest: Sollten hier wie zu Bundeswehrzeiten 1000 Menschen wohnen, dürfte die Kläranlage der Stadt wohl besser ausgelastet werden und die Abwassergebühren sinken. Ob dies auch für die Grundstückspreise gilt, bleibt abzuwarten.

Ausblick - Wie geht es weiter?

Der jetzige Inhaber hat die Kaserne für 160 000 Euro ersteigert, er hat aber kein Geld, sie zu sanieren. Der Vorbesitzer hatte laut Koch die Kaserne ausgeplündert (z. B. verwertbare Versorgungsleitungen entfernt), die Lokalpresse berichtete zudem von noch zu beseitigenden Altlasten (insbesondere PCB und Asbest), die diese Sanierung möglicherweise zu einem unkalkulierbaren Risiko machen. Koch wird wohl an einen Investor verkaufen, der die Sache durchziehen kann. Ich nehme an, er möchte dabei seinen Schnitt machen: Vielleicht nen Faktor 10, also 1,6 Mio. Euro? Selbst bei beispielhaft angenommenen Investitionen von 10 Mio. Euro wäre das immer noch ein gutes Geschäft. Ich gehe von 7100 Euro/a reinen Hotelkosten aus (Durchschnitt in Thüringen; die Zahlen werden selten öffentlich) ("Verdienen an den Flüchtlingen"(FAS vom 12. 4. 2015)). Bei 600 Personen in der Erstaufnahme wären das dann 4,3 Mio. Euro/a. Würde es so laufen wie in der Erstaufnahmeeinrichtung Friedland (vorgesehen für 700 Personen, tatsächlich derzeit 3000 Personen), käme man sogar auf eine Bruttoeinahme von 21,3 Mio. Euro/a, zahlbar vom Steuerzahler.

Orientierungslosigkeit von Bund und Land

Wenn irgend jemand meiner Leser weiß, wo Frau Merkel oder der Herr Weil mit unserem Land hinwollen, möge er sich melden. Die Kommunen mit Sprüchen wie "Jeder ist willkommen" oder "Wir schaffen das" alleine zu lassen, bringt uns jedenfalls nicht weiter. Ohne das Engagement vieler Ehrenamtlicher hätten wir schon längst wirklich katastrophale Verhältnisse. Warum Bund und Land sich nicht um nachhaltige Lösungen bemühen und das Thema offenbar aussitzen wollen, und die Kommunen teilweise von heute auf morgen mit Busladungen teilweise noch nicht einmal registrierter und ärztlich behandelter Asylbewerber vor fast unlösbare Aufgaben gestellt werden (immerhin gibt es auf kommunaler Ebene wenigstens noch Beamte mit Praxisbezug), ergibt sich möglicherweise aus einer Äußerung des Goslarer Bürgermeisters Junk. Wohin mit den ganzen Asylbewerbern? In Goslar gebe es doch reichlich Leerstände, so seine Idee. Nachdem diese auf höherer politischer Ebene nicht aufgegriffen wurde, habe er sich mal erkundigt, warum ihn dabei niemand unterstütze. Die Antwort, so Junk: "Die Asyldebatte ist kein Gewinnerthema". Das dürfte auch erklären, warum Bundeskanzlerin Merkel in Sachen Griechenland-Rettung auf EU-Ebene im Wochentakt eine Krisenkonferenz nach der anderen anberaumte, sich hier aber weitgehend bedeckt hält. Dieser Dame geht es offensichtlich weniger um eine nachhaltige Lösung dieser Probleme als um ihr (noch) hohes Ansehen in den Meinungsumfragen.

So, das musste mal raus.

Update nach Hinweis

Natürlich sind die Hotelkosten in der Erstaufnahmeeinrichtung Verhandlungssache; Verträge zwischen Bund/Land und Privaten sind auch nicht ohne weiteres öffentlich. In Bergisch-Gladbach beträgt der Mietkostendurchschnitt (verteilt über die ganze Stadt) 3600 Euro/a entsprechend 300 Euro/Monat/Asylbewerber (bei Gesamtkosten von 12000 Euro/a/Asylbewerber). Diese Quelle halte ich für informativ (viele weitere Infos zur Debatte) und (halbwegs) seriös.

Update vom 17. 9. 2015

In der gestrigen Sitzung des nds. Landtages stellte der Vorsitzende der CDU-Fraktion Björn Thumler fest: "Die größte Baustelle ist der fehlende Vollzug der Ausreisepflicht". Die Braunschweiger Zeitung berichtete dazu, auf Druck der Landesregierung und der SPD-Fraktion solle der sog. Rückführungserlass vom 23. September 2014 geändert werden, die Grünen lehnten dies ab. Abschiebungen werden danach mehrfach angekündigt, abgelehnte Asylbewerber erhielten zudem offizielle Belehrungen über die Möglichkeit, die Härtefallkommision des Landes anzurufen.

Ich habe am 11. September den Abgeordneten Björn Thümler hier auf dem Portal abgeordnetenwatch.de gefragt, wieviele der abgelehnten Asylbewerber auch tatsächlich abgeschoben werden - eine Antwort steht noch aus (Update: Die Frage wurde am 22. Oktober beantwortet und ist unter dem angegebenen Link nachlesbar). Bekannt sind Zahlen aus Berlin. Der dortige Innensenator teilte in der Abendschau des RBB vom 31. August mit, dass 2014 von 9600 abgelehnten Asylbewerbern 600 auch tatsächlich abgeschoben wurden, das entspricht einer Quote von 6 Prozent. Damit liege Berlin unter den Bundesländern auf fünft"bester" Stelle. Eine Mail an den Innensenator vom 5. September mit der Bitte um diese Statistik blieb allerdings bis heute unbeantwortet.

Ok, einer geht noch. In diesem Video wird die Bundeskanzlerin von einer Diskussionsteilnehmerin gefragt, wie sie Europa und unsere Kultur schützen wolle. Das bereits 125 324 mal geklickte Video eines kanadischen Journalisten würde in Deutschland wohl nie im ÖRR gesendet werden. Aber manchmal hilft der Blick von außen ja auch.

Update vom 30. 1. 2016

(Leserbrief in der heutigen Ausgabe des Harzkurier zur Legalität von Grenzübertritten)

"Unbegreiflich und demokratisch unerträglich"

In einem Leserbrief zitiert Herr ... den Art. 16 Abs. 2 Grundgesetz (GG), nach dem sich niemand auf Asylrecht berufen kann, wer aus einem sicheren Drittstaat (z. B. Österreich) einreist und schließt daraus, dass das Zulassen derartiger Grenzübertritte somit "eindeutig gegen das Grundgesetz" verstoße.

Na ja, ganz so ist das aber nicht. Im Einklang mit dem Wortlaut des GG schreibt der § 18 Abs. 2 Nr. 1 des Asylgesetzes zwar vor, dem "Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) einreist", Abs. 4 Nr. 2. sieht aber vor, "von der Einreiseverweigerung oder Zurückschiebung ist im Falle der Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) abzusehen, soweit das Bundesministerium des Innern es aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland angeordnet hat."

Dazu schrieb die FAZ am 21. Januar ("Ein Geheimerlass zur Öffnung der Grenze?"): "Ohne eine solche Anordnung wäre die ungehinderte Einreise der vielen (syrischen) Flüchtlinge offensichtlich gesetzeswidrig; ob mit einer solchen Anordnung die Rechtslage anders zu beurteilen ist, bedürfte genauerer Prüfung. Die aber ist gegenwärtig gar nicht möglich. Wir wissen nämlich bis heute nicht genau, ob eine solche Anordnung tatsächlich ergangen ist, in welcher Form und welchen genauen Inhalt sie hat. Wer ist, wenn es sie denn geben sollte, ihr Adressat, für welchen Personenkreis gilt sie und wie lange?" Die FAZ fährt fort: "Die Bürger darüber in Unkenntnis zu lassen, ist angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Tragweite dieser Anordnung ebenso unbegreiflich wie demokratisch unerträglich. Das Bundesinnenministerium behandelt die Frage wie eine geheime Kommandosache und hält die Bürger hin, die einen auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Auskunftsanspruch geltend machen. " Und weiter: "Auf Abgeordnete der Koalitionsfraktionen soll, wie aus der Unionsfraktion zu hören ist, massiver politischer Druck ausgeübt worden sein, damit sie es unterlassen, diesbezügliche Anfragen an die Bundesregierung zu richten; solche Anfragen, so wurde zudem signalisiert, würden in der Sache ohnehin nicht beantwortet."

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