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Krankenhäuser

Entscheidung zum Verkauf der Krankenhäuser des Landkreises Osterode am Harz

Dr. Wolfgang Wegener im Kreistag (Redemanuskript)

Weiterentwicklung der Struktur der Kreiskrankenhäuser

Anrede,

Der Krankenhausausschuss hat in seiner Sitzung am 5. Februar einstimmig den Verkauf der beiden Kreiskrankenhäuser empfohlen. Die überwältigende Mehrheit in diesem Kreistag ist der Auffassung, dass die gravierenden Probleme, vor denen wir in der Krankenhausversorgung stehen, besser durch einen Privaten als durch uns gelöst werden können. Ich teile diese Auffassung. Lassen Sie mich kurz die Probleme darstellen, die sich nicht nur uns, sondern auch vielen anderen derzeit stellen

In der Zeit von 1974 bis 1994 ist die Zahl der Planbetten in den alten Bundesländern um 15% gesunken. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Patienten um 50% gestiegen, die Zahl der Ärzte ist um 110% gestiegen, die Zahl der an den Patienten verordneten Leistungen ist um 220% gestiegen. Die Kosten sind in diesem Zeitraum um 400% gestiegen, deutlich stärker als die durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelte der rentenversicherten Angestellten, die um lediglich 141 % gestiegen sind. Die Schlussfolgerungen liegen auf der Hand.

  • Erstens: Das System wird für die Sozialleistungsträger unfinanzierbar werden, falls nicht gehandelt wird. Das Ergebnis würde zwangsläufig eine Zweiklassenmedizin sein. Leistungsabbau für die Sozialversicherten, Spitzenmedizin für die Wohlhabenden. Das kann niemand wollen. Das System muss so geändert werden, dass es für alle finanzierbar bleibt. So wie jetzt kann es nicht weitergehen. Einem deutschen Facharbeiter bleiben von dem, was sein Arbeitgeber für ihn bezahlt, nach Abzug der direkten und indirekten Steuern sowie der Sozialabgaben nur noch 30% zur freien Verfügung.
  • Zweite Schlussfolgerung: Im Krankenhausbereich werden die Kosten nicht durch die Zahl der Planbetten getrieben - diese Zahl ist ja sogar gesunken - sie werden vielmehr durch eine ungebremste diagnostische und therapeutische Leistungsausweitung getrieben. In diesem Bereich, der in den ersten Tagen eines Krankenhausaufenthaltes zum Tragen kommt, liegt der Ansatzpunkt für Effizienzsteigerungen.
Ziel kann es nicht sein, Leistungen abzubauen, Ziel muss es sein, Kosten zu sparen und gleichzeitig die Versorgung zu verbessern. Dass das möglich ist, dafür nur zwei Beispiele. Eine aufgrund verbesserter Eingangsdiagnostik unterlassene, überflüssige Untersuchung spart nicht nur Geld, sondern entlastet auch den Patienten. Eine schonende Operation mittels eines invasiven Verfahrens senkt nicht nur die Kosten, der Patient kann auch früher nach Hause. Die Aufenthaltsdauern in den Krankenhäusern sind von 20 Tagen in den fünfziger Jahren auf nun 10 Tage gesunken, den ersten, teuren Tagen kommt eine immer größere Bedeutung zu. Um neue Handlungsabläufe umzusetzen, braucht man Geld. Derjenige, der sich diesen Herausforderungen als erster stellt, wird in seiner Region nicht nur die sparsamste und leistungsfähigste Krankenhausversorgung i.S. des § 4 KHG gewährleisten, er wird auch die hier vorhandenen Arbeitsplätze am nachhaltigsten sichern.Erforderlich zur Meisterung dieser Herausforderung sind zwei Dinge: Investitionen und Know-how.

Im Landkreis Osterode stellen sich diese Probleme in besonders verschärfter Form. Weder haben wir das Geld für die notwendigen Investitionen, um Einsparpotentiale zu aktivieren. Kredite in der benötigten Größenordnung werden von der Verwaltung als nicht genehmigungsfähig bezeichnet, der Schuldenstand pro Kreiseinwohner ist doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Das Land, dessen Aufgabe die Finanzierung dieser Investition eigentlich wäre, wird es uns ebenfalls nicht geben können: Es gibt dort einen Investitionsstau in Höhe von 3,5 Mrd. Mark. Gleichzeitig drohen uns die Kassen unmittelbar mit einem Millionendefizit, u.a. mit der Begründung, wir lägen bei den Pflegesätzen niedersachsenweit mit an der Spitze. Im benachbarten Krankenhaus in Nordhausen in den neuen Bundesländern dagegen werden dreistellige Millionenbeträge investiert. Für mich steht fest: Wir müssen handeln, können es aber nicht, jedenfalls nicht aus eigener Kraft. Nur am Rande sei bemerkt, dass wir uns auch bei Hereinnahme eines Investors zu 49% (GmbH-Lösung) zu 51% an den Investitionen beteiligen müssten. Wird jetzt nicht gehandelt, dann steht nicht nur die Krankenhausversorgung im Landkreis Osterode auf dem Spiel, sondern damit verbunden auch die entsprechenden Arbeitsplätze. Angesichts einer Arbeitslosenquote von 15% eine katastrophale Perspektive.

Die richtige Lösung besteht m.E. in einem Verkauf beider Kreiskrankenhäuser an einen großen Investor und Neustrukturierung des Krankenhauswesens durch diesen. Ich sehe in diesem Verkauf den Königsweg. Es haben Vorgespräche stattgefunden mit Krankenhauskonzernen, deren Börsenwert 1,5 Mrd. Mark beträgt, mit Umsätzen dicht an einer Milliarde Mark, mit Tausenden von Betten in der Akutversorgung. Diese Konzerne verfügen über die entscheidenden zwei Dinge: Geld für Investitionen, die sie monistisch aus den Rationalisierungsgewinnen refinanzieren, und das nötige Know-how. Die Erfahrung aus dem Betrieb vieler Kliniken, klare Zielvorstellungen, das Geld und die kurzen Entscheidungswege, um diese Zielvorstellungen auch umzusetzen, geballte Einkaufsmacht, effiziente Nutzung konzernweiter Synergiepotentiale usw.: Das alles sind Vorteile eines großen Privaten, denen mittelfristig die Kommunen nichts oder nur wenig entgegenzusetzen haben werden. Ich bin der Überzeugung, dass dieser Private eine i.S. der § 4KHG sparsame und leistungsfähige Krankenhausversorgung eher wird sicherstellen können als wir. Ich freue mich daher auf den Zeitpunkt, an dem diese Leute bei uns einrücken und ihre Vorstellungen umsetzen. Damit ginge eine jahrelange Zeit der Unsicherheit, des Abbaues, des Misstrauens und des Lokalpatriotismus zuende.

Das alles ist Hoffnung, aber ich habe diese Hoffnung begründet. Darüber hinaus sind selbstverständlich Mindestbedingungen an einen Verkauf zu richten, ohne die es keinen Kaufvertrag geben wird. Im wesentlichen geht es dabei um den Sicherstellungsauftrag und die betriebliche Altersvorsorge der Beschäftigten (VBL). Unter den gegebenen Umständen werden diese Bedingungen unserer Fürsorgepflicht gegenüber den Angestellten des Landkreises m.E. mehr als gerecht. Ich hätte es vor einiger Zeit noch nicht für möglich gehalten, mit solchen Mindestbedingungen an einen Verkauf heranzugehen. Jeder, der da noch draufsatteln will, sollte sich sorgfältig die Alternative zu einem Verkauf überlegen. Jedem muss klar sein: Wir dürfen uns in der Politik nicht lediglich am Wünschenswerten orientieren, wir müssen das tatsächlich machbare tun. Wir haben im Kreistag die Aufgabe, die zahlreichen berechtigten Forderungen, die an uns gerichtet werden, unter einen Hut zu bekommen. Die Kunst liegt im Kompromiss, jeder wird Abstriche machen müssen. Dieser Kompromiss ist meiner Ansicht nach mit diesen Mindestbedingungen in hervorragender Weise gelungen.

Wir werden in Niedersachsen wohl die ersten sein, die ein kommunales Krankenhaus privatisieren; daran knüpfen sich Ängste. Positiv daran ist aber, dass die Klinikkonzerne ein hohes Eigeninteresse haben, gute erste Beispiele zu setzen, denn sie wollen ja wachsen und keine Probleme mit dem Kauf des zweiten kommunalen Krankenhauses haben. Die ersten bekommen möglicherweise bessere Konditionen als die letzten, die die Hände hochzuheben haben. Seien wir gespannt auf ein neues Modell für eine moderne Klinikversorgung im ländlichen Raum. Freuen wir uns darauf, unterstützen wir das! Lassen Sie uns auch angesichts des Verkaufserlöses über eine bessere Anbindung des Herzberger Hauses an öffentliche Verkehrsmittel nachdenken, auch wenn es dann nicht mehr "unser" Haus ist. Lassen Sie uns denjenigen, die evtl. eines Tages über den Verlust des Osteroder Hauses trauern - ich gehöre sicherlich dazu - sagen, worin die Perspektive besteht. Dieser Anbau in Herzberg durch einen Privaten wird nicht nur Osteroder Betten dort ankleben, er wird vielmehr ein neues, attraktives Konzept umsetzen helfen. Wir sollten in den kommenden Wochen und Monaten - vielleicht Zeiten der öffentlichen Diskussion - nie aus den Augen verlieren, dass ein Krankenhaus ein Dienstleistungsunternehmen ist und die Psychologie eine große Rolle spielt. Jeder, der sich öffentlich gegen einen Verkauf zu Wort meldet, sollte sich davor hüten, die Landschaft für einen Privaten sozusagen zu verbrennen. Jeder, der öffentlich gegen einen Verkauf redet, sollte sich gründlich überlegen, ob er guten Gewissens eine wirklich machbare Alternative anzubieten hat. Ich sehe diese nicht.

Ich bin für den Verkauf an einen großen Klinikkonzern. Den Überlegungen einer privaten Osteroder Gruppe messe ich keine bedeutende Aussicht auf Erfolg bei. Das erste, offenbar mittlerweile zurückgezogene Konzept mit einem Kaufpreis von 1 Mark bewerte ich als krass unseriös. Allein die Rückübertragung der Chirurgie nach Osterode wäre m.E. an der notwendigen Zustimmung des MS bzw. der Kassen gescheitert. Das ergibt sich aus den Gesetzen und aus der Presse übergebenen, also öffentlichen eindeutigen Willensbekundungen. Diese Gruppe will nun 35 Millionen Mark für einen Kauf und Folgeinvestitionen bereitstellen. Eine Ablösung der VBL würde eine weitere große Summe bedeuten. Bei 4,8% des Bruttolohnes Beitrag zur VBL und einer Bruttolohnsumme von 31 Millionen Mark werden jährlich 1,5 Millionen Mark an die VBL gezahlt. Die Kosten einer Kapitalisierung dieser Ansprüche etwa in Form einer Lebensversicherung hängen von der Altersstruktur der Beschäftigten ab. Hätten alle Mitarbeiter gerade erst angefangen, wäre ihr Anspruch Null Mark, stünden alle Mitarbeiter nach vierzig Dienstjahren kurz vor der Rente, gründete sich ihr Anspruch auf eingezahlte Beiträge in Höhe von 60 Millionen Mark (in DM von 1998). Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, ich nehme an, dass sich eine Ablösung der VBL auf Beiträge in Höhe von 30 Millionen Mark gründen würde. Aufgrund der geforderten dinglichen Absicherung der Krankenhäuser in der Grundbuch-Abteilung 2 (Rückfall der Krankenhäuser im Konkursfall) können nach meinem Verständnis die gekauften Krankenhäuser zudem nicht als Sicherheit für Bankkredite genommen werden. Das Konzept ist mir nicht bekannt, es kommt auch etwas spät, es konnte z.B. nicht mehr von den Gutachtern geprüft werden. Es wurde auch inhaltlich am Freitag nicht detailliert vorgestellt, offenbar mit der Begründung, die Rhön-Kliniken könnten da was abgucken. Da kann ich doch nur noch hässlich lachen! Der Kreistag beschließt heute, dieses Konzept noch zu prüfen, ich stimme dem nur zähneknirschend zu. Die Zeit der Unsicherheit und der schädlichen öffentlichen Diskussionen sollte jetzt schnell zu Ende gehen. Sollte diese Investorengruppe zu dem Schluss kommen, das Projekt sei einige Nummern zu groß für sie, sollte sie dieses Interesse schnellstmöglich zurückziehen. Falls nein, sollte das Angebot incl. Bonitätsnachweis unverzüglich vorgelegt werden.

Zusammengefasst: Ich bin der festen Überzeugung, das der Verkauf an den richtigen Investor der richtige Weg ist. Das wird m.E. auch für andere die Zukunft sein. Ich hoffe, das überzeugend begründet zu haben, ohne übrigens das Wort "Haushaltskonsolidierung" in den Mund genommen zu haben.

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