Dr. Wegener zum Haushalt 2000 der Stadt Osterode am Harz (Etatrede)
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Haushalt

Haushalt 2000 der Stadt Osterode am Harz

Dr. Wolfgang Wegener (FWG) im Stadtrat (Redemanuskript)

Drohpotential Schulden

Anrede,

die Verwaltung hat am 25. 11. 99 hier einen Haushaltplanentwurf eingebracht, bei dem im Verwaltungshaushalt die Einnahmen in Höhe etwa 77 Mio. Mark den geplanten Ausgaben entsprechen. Damit schlägt die Verwaltung vor, daß die Stadt Osterode im Jahr 2000 nicht über ihre Verhältnisse leben will. Das ist für die FWG eine pure Selbstverständlichkeit. Eine Analyse des Haushaltes, die wir mittlerweile durchgeführt haben, zeigt, daß zum Applaus auch ansonsten wenig Anlaß besteht: Für die FWG - Fraktion ist dieser Haushaltplan so nicht zustimmungsfähig, er muß in mehreren Punkten geändert werden.

Rücklage geplündert

Nachdem bereits im Haushalt 1999 der Rücklage - dem " Sparbuch " - 3,1 Mio. Mark entnommen wurden, ist nun eine weitere Entnahme aus der Rücklage in Höhe von 2,5 Mio. Mark geplant, die dem Verwaltungshaushalt zugeführt werden soll. Nach dieser Planung wird die Rücklage Ende des Jahres 2000 lediglich 50 000 Mark mehr als den gesetzlichen vorgeschriebenen Mindestbestand enthalten und somit nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Ausgleich im Verwaltungshaushalt gelingt also nur, weil das Sparbuch bis auf den letzten Pfennig geplündert wird. Der Ausgleich gelingt ferner, weil im Haushaltsentwurf angenommen wird, die Lohn- und Gehaltstarife im öffentlichen Dienst blieben im Jahr 2000 gleich. Diese Annahme dürfte sich als falsch erweisen. 1 Prozentpunkt mehr bedeutet für die Stadt eine Mehrausgabe in Höhe von 227 TDM, 2 Prozentpunkte mehr eine Mehrausgabe in Höhe von fast einer halben Million Mark. Der Ausgleich im Vermögenshaushalt gelingt durch eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 1,2 Millionen Mark sowie durch eine um fast 100 TDM Mark überhöht angesetzte Einnahme.

Investitionen und Folgekosten

Ein erhebliches Drohpotential für die Finanzwirtschaft der Stadt stellen die Schulden dar, dies wird auch der Schwerpunkt dieser Rede sein. Bei einem Schuldenstand von 90 Mio. Mark Ende 1998 incl. der Nebenhaushalte bedeutet ein Prozentpunkt mehr bei den Zinsen eine Mehrausgabe von fast 1 Mio. Mark. Bei einem nennenswerten Anteil dieser Schulden - z. B. gut 20 Mio. Mark beim Erlebnisbad Aloha - erwirtschaften die zugehörigen Investitionen den Schuldendienst nicht. Gegenwärtig kann die Stadt ihre Kredite bedienen, wenn auch durch Entnahme vom Sparbuch. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, in welcher Höhe man sich Kredite für welche Investitionen leisten kann, ist allerdings weniger die Gegenwart als vielmehr die Zukunft. Das erfährt derjenige sehr schmerzlich, der ein Haus abzubezahlen hat und seinen Arbeitsplatz verliert. Angesichts der üblichen Laufzeiten der Kommunaldarlehen von 22 Jahren ist hinsichtlich des Schuldendienstes ein Zeitraum von 10 Jahren zu beachten. Bei jeder Investition sind zwei Fragen wesentlich: Die Frage nämlich, ob man auch zukünftig den Schuldendienst finanzieren kann und die Frage, ob man auch zukünftig die mit einer Investition verbundenen Folgekosten wird finanzieren können. Daß man diese Fragen auch falsch beantworten kann, wenn man Warnsignale übersieht, zeigt das Beispiel Bad Grund. Bad Grund gilt als die finanziell ruinierteste samtgemeindeangehörige Gemeinde in ganz Niedersachsen, der Hauptverwaltungsbeamte dort wurde gestern im Harzkurier mit der Aussage zitiert: "Die Stadt ist am Ende. Ohne die Hilfe Dritter oder des Landes kommen wir nicht mehr über die Runden."

Parallelen zu Bad Grund

Das beunruhigende ist, und deshalb erwähne ich das überhaupt, daß es Parallelen zwischen Bad Grund und der Stadt Osterode gibt. Das ist nicht nur ein einwohnerbezogen vergleichbar hoher Schuldenstand von ca. 3400 Mark pro Einwohner incl. der Nebenhaushalte. In guten Zeiten hat Bad Grund einwohnerbezogen ebensoviel Gewerbesteuer nur aus dem Bergbau eingenommen wie die Stadt Osterode heute von allen Gewerben. Bad Grund war also wesentlich auf den Bergbau angewiesen, bei uns stammen 45 % der Gewerbesteuereinnahmen von lediglich 5 Betrieben. Die Investitionen Bad Grunds z. B. im Fremdenverkehr haben erhebliche Folgekosten ausgelöst, die nun nicht mehr finanzierbar sind. Die Millioneneinnahmen der WKO wanderten im wesentlichen ins Erlebnisbad Aloha mit laufenden Folgekosten von fast 4000 Mark täglich. Gleichzeitig sind zahlreiche Straßen der Stadt in lausig schlechtem Zustand. Das Ende des Bergbaues in Bad Grund war absehbar, unsere Betriebe scheinen in ihrer Gesamtheit anfällig zu sein gegenüber den Folgen von Grenzöffnung und Globalisierung. So nahm die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Stadt im verarbeitenden Gewerbe von 1994 bis 1997 um 17 % ab (im Landkreis um 11 %), die Bruttowertschöpfung zu Marktpreisen beim produzierenden Gewerbe reduzierte sich im Landkreis von 1992 bis 1994 (die einzigen mir vorliegenden Zahlen) um 12%, wir haben in der Region eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Niedersachsen. 1998 betrug diese bei der Nebenstelle Osterode 15,2 %, in Niedersachsen 12,3%, in den alten Bundesländern 10,5 %.

Einwohnerrückgang

Nachdenklich stimmen muß auch der seit Jahren zu verzeichnende Rückgang der Einwohnerzahl. Die Stadt Osterode hat im 2. Halbjahr 98 -die neuesten mir vorliegenden Zahlen - 125 Einwohner verloren, 77 davon durch den Wanderungsverlust, 48 durch den Sterbeüberschuß. Auf 10 Jahre hochgerechnet, entspricht das einem Verlust von 2500 Einwohnern entsprechend 10% der Einwohner, und das ist prozentual fast ein ebenso großer Einwohnerverlust wie die 13 % der Einwohner, die wir in den fast 30 Jahren von 1970 bis 1999 verloren haben. Da sich unsere Zuweisungen nach der Einwohnerzahl richten, hat das auch finanzielle Auswirkungen. Nachdenklich stimmen muß ferner, daß wir mit der Mehrheitsbeteiligung an den WKO zwar fast eine Lizenz zum Gelddrucken haben. Diese Lizenz läuft nun allerdings im Zuge der Liberalisierung der WKO-Märkte aus und wird wohl nicht verlängert werden.

Prioritäten

Aus dieser Kurzanalyse - die man sicherlich noch vertiefen und konkretisieren muß, folgen Prioritäten, die in den vor uns liegenden Haushaltsjahren zu beachten sind: Wir müssen die Stadt attraktiver machen für junge Familien und für Zukunftsindustrien, insbesondere mit einem Anteil an Forschung und Entwicklung. Bei der Verminderung der Abhängigkeit von einigen sehr großen Gewerbesteuerzahlern und bei der Erschließung neuer Einnahmequellen ist das Handwerk, insbesondere aber auch der Einzelhandel nicht zu übersehen. Dafür hat die Stadt mit ihrer Lage zwischen den Universitäten Clausthal und Göttingen auch gute Voraussetzungen, auch sind durch die Neuordnung der berufsbildenden Schulen durch den Landkreis positive Zeichen gesetzt worden. Daß es 1998 in ganz Niedersachsen lediglich 23 Neuansiedlungen von Betrieben gegeben hat, zeigt, daß man hier aber keine Wunder erwarten kann.

Angesichts der von mir skizzierten Aufgaben, Entwicklungen, Abhängigkeiten und Warnsignale stelle ich fest: In diesem Umfeld mit 27 000 Einwohnern sind 90 Mio. Mark Schulden mit einem sehr nennenswerten Konsumanteil zu viel, und zwar viel zu viel. Bei der Mittelfristigen Finanzplanung schlägt die Verwaltung vor, bis 2003 dem ohnehin schon zu hohem Schuldenstand noch weitere 9,4 Mio. Mark hinzuzufügen, insbesondere um den Investitionsstau bei den Straßen zu beheben.

Im Ergebnis ist die FWG der Auffassung, daß nunmehr in der Finanzwirtschaft der Stadt klare Prioritäten im Sinne der obigen Analyse gesetzt werden, alles wird also nicht mehr leistbar sein, Investitionen müssen sich möglichst aus sich selbst heraus finanzieren, Kostendeckungsgrade müsse angehoben werden, wo immer möglich, und vorher müssen selbstverständlich alle Investitionen auf Effizienz durchleuchtet werden, um das auch durchsetzen zu können. Daß der Kostendeckungsgrad beim Aloha erst aufgrund einer Initiative der FWG-Fraktion ermittelt wurde, zeigt, daß wir hier vom Bewußtsein noch am Anfang stehen. Nur Investitionen, die unabwendbar und dringlich sind, oder für die es eine rechtliche Verpflichtung gibt sowie Investitionen, die sich rechnen, sind aus unserer Sicht noch hinnehmbar. Anzustreben ist, von dem zu hohen Schuldenstand wieder herunterzukommen, insbesondere auch angesichts der Gefahr wieder steigender Zinsen. Es wird im übrigen interessant sein zu sehen, ob die wieder anspringende Konjunktur sich auch in Osterode bemerkbar macht oder an uns vorbeigeht.

Fazit

Konkret für diesen Haushaltsplanentwurf der Verwaltung folgt daraus. Die FWG wird diesem Haushalts-Entwurf der Verwaltung nicht folgen. Insbesondere lehnen wir es ab, daß nach dem Luxus-Bad nun auch noch Luxus-Plätze gebaut werden. sollen.

Wir lehnen den Ausbau des Kaiserplatzes ab. Mag sein, daß der eine oder andere diesen Platz als wenig schön empfindet. Er erfüllt aber seine Funktion. Die Einsparung im Vermögenshaushalt von 1,1 Mio Mark netto - es gibt keine Ausbaubeiträge - bringt die Nettokreditaufnahme fast auf Null. Werden diese Mittel nicht gestrichen, werden wir den Haushalt ablehnen. Wir werden dann im Haushaltsjahr 2000 auch nicht mehr über einen an und für sich sehr naheliegenden Gedanken weiter nachdenken: Der Anlage eines Rad-und Gehweges in der Herzberger Landstraße, die insbesondere durch das neue Berufschulzentrum dort enorm aufgewertet wird. Bei Streichung des Kaiserplatzausbaues möchten wir, daß diese Vorplanungen vorgezogen und konkretisiert werden. Das könnte - ich betone: könnte -möglicherweise eine unabwendbare Maßnahme sein, die nach Prüfung im Nachtrag veranschlagt werden kann.

Der im Haushalt vorgeschlagener Aufbau einer eigenständigen Container-Wirtschaft: Mündlich. Notfalls: Sperrvermerk in der HHSt. 7710.93500.

Lassen Sie mich nun zur Einnahmeposition von 150 000 Mark in der HHST 5610.36200 im Vermögenshaushalt kommen, der Sanierung des Fußbodens in der Sporthalle Röddenberg. In der KT-Sitzung von 20.12.99 wurde einstimmig beschlossen, daß Zuwendungen aus der Kreisschulbaukasse für Maßnahmen nach §117 Abs. 3 NSchG ab dem Jahr 2000 nicht mehr gewährt werden Unberührt davon bleiben lediglich die im Vorbericht des Kreis-Haushaltsplanes 99 aufgeführten Maßnahmen in der dort aufgeführten Höhe, u.a. wurde dort die hier angesprochene Maßnahme mit 55 600 Mark aufgeführt. Es steht fest, daß wir eine Einnahme in der von der Verwaltung veranschlagten Höhe nicht erzielen werden, daß Gebot der Haushaltswahrheit - und Klarheit zwingt uns dazu, den Antrag zu stellen, diese Einnahmeposition auf 55 600 Mark zu reduzieren und gleichzeitig die Einnahme in HHSt 9100.37700 (Kreditaufnahme) um 94 400 Mark zu erhöhen. Wird unserem Antrag nicht gefolgt, werden wir den Haushalt ablehnen. (Anmerkung: Dieser Antrag wurde bei zwei Gegenstimmen (denen der FWG-Fraktion) vom Stadtrat abgelehnt. Im Nachtrag 2000, der 9 Monate später am 2. 11. 2000 vom Rat beschlossen wurde, erfolgte eine Reduktion dieser Einnahmeposition um 94 400 Mark auf 55 600 Mark).

Wirtschaftsplan der Wirtschaftsbetriebe (WiBO)

Einen Schwerpunkt unserer Arbeit stellen die Wirtschaftsbetriebe der Stadt (WiBO) dar. Wir erkennen hier insbesondere beim Erlebnisbad Aloha erheblichen Handlungsbedarf. Wir haben bereits im September einen Antrag gestellt, in dem wir eine Fülle von Maßnahmen vorgeschlagen, mittel- und langfristige Ziele gesetzt haben, die wir nach gründlichen Überlegungen für erreichbar halten, einen Bericht der Verwaltung bis zum März 2000 zur Aufdeckung von Kostensenkungspotentialen beantragt usw. Wir können diesen Antrag, dessen Annahme wir für dringend geboten halten, aufgrund der Geschäftsordnung heute nicht erneut stellen. Ohne klare Signale in dieser Sitzung, daß Verwaltung und der Rat sich nunmehr sinngemäß antragsgemäß verhalten werden, werden wir den Haushalt ablehnen. Die Formulierung "sinngemäß antragsgemäß" habe ich deswegen gewählt, weil die erste Frist - der Bericht der Verwaltung im März nach entsprechend gründlicher Vorbereitung - ja kaum noch einzuhalten ist. Wir können einem Haushalt nicht zustimmen, der die Entwicklung beim Erlebnisbad Aloha einfach fortschreibt: Nach 3,4 Mio. Defizit im Jahr 1998 sind nun 3,6 Mio. Mark Defizit, also 10 000 Mark täglich, geplant. So kann es nicht weiter gehen. Wir haben vorgeschlagen, die Entwicklung in diesem Bereich anhand der Selbstverpflichtung auf konkrete Ziele und Fristen zu gestalten. Sie haben zu unserem Antrag Nein gesagt, ohne selbst einen Vorschlag, geschweige denn einen besseren zu machen. Das sollte man noch nicht einmal in der Opposition tun, geschweige denn, wenn man die Mehrheit hat. Ich frage Sie nochmals: Haben Sie einen besseren Vorschlag? Haben Sie überhaupt einen Vorschlag? Oder sind Sie wirklich der Meinung, daß es in diesem Bereich so weitergehen kann? Im übrigen begrüßen wir es, daß die Verwaltung eine Klimaanlage in der Stadthalle nicht veranschlagt hat und weisen abschließend darauf hin, daß die WiBO nicht nur eine Ausgabenseite, sondern auch eine Einnahmenseite hat. Welche Effizienzsteigerungen bei den WKO eventuell möglich sind, darüber erfahren wir im Rat außer dem Kurz-Bericht der Kollegin Dernedde nichts. Die FWG - Fraktion möchte zukünftig unaufgefordert und zeitnah den Geschäftsbericht der WKO zu erhalten.

Im übrigen wird die FWG ihre Kontroll-Aufgaben sehr ernst nehmen und denjenigen, die innerhalb der Verwaltung für Kontrolle zuständig sind, den Rücken stärken, wo immer möglich und nötig.

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Kontakt: Dr. Wolfgang Wegener, Falkenweg 6, 37520 Osterode,
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